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Samia Serageldin: Das Kairohaus

Giha Seif-el-Islam fühlt sich auf der einen Seite fremd, auf der anderen Seite aber zu Hause, als sie nach sehr langer Zeit auf dem Kairoer Flughafen ankommt, um ihre in Ägypten sehr bekannte Familie zu besuchen. Vor über zehn Jahren hatte sie ihre Heimat verlassen müssen, ihren einzigen Sohn Tarek musste sie damals in der Obhut ihrer Mutter zurücklassen.

Gigis Elternhaus befindet sich in der Nähe von Kairo und wurde schon vor einiger Zeit vermietet. Das amerikanische Unternehmen, das darin seine Zelte aufgeschlagen hat, machte ein Bürogebäude daraus. Immerhin wurden zwei Räume im Parterre als Gäste-Apartment abgetrennt. Hier durfte Gigi nun für die Zeit ihres Aufenthalts wohnen. Sie befindet sich als „Fremde“ im Hause ihrer Kindheit und blättert wehmütig in einem Fotoalbum. Die Geschichte ihrer Familie nimmt dabei wieder Form an.

Seif-el-Islam Pasha war Gigis Urgroßvater. Mit seinem ganzen Clan war er einst vom Nildelta nach Kairo gekommen, wo er es zu ansehnlichem Reichtum gebracht hatte. In Italien traf er einen Architekten, der für ihn am Rande von Kairo eine repräsentative Villa errichtete, eben das Kairohaus.

Seif-el-Islam Pasha war einer der Anführer der Nationalbewegung, die sich sowohl gegen die Briten als auch gegen die damals regierende Herrscher-Dynastie erhob. Sein Sohn erreichte einen Sitz im Parlament und sein ältester Enkel wurde schließlich der Vorsitzende der mächtigsten Partei und sogar Premierminister unter König Faruk.

Doch diese schöne Karriere endete 1952 jäh mit der Revolution und der Machtübernahme durch Oberst Gamal Abd-el Nasser. Damit lag das Glück in den Händen ganz anderer Leute, die alten Eliten wurden geradezu kaltgestellt. Der entlassene Premierminister verwaltete und bewohnte zunächst noch das „Cairo House“, das er zusammen mit seinen acht Geschwistern geerbt hatte. Sein jüngster Bruder hieß Shamel und war Gigis Vater.

Gigi wurde in jenem denkwürdigen Revolutionsjahr 1952 geboren. Sie ist Angehörige einer sozialen Oberschicht. Mit neun Jahren ist sie wie üblich beim islamischen Opferfest im Cairo House dabei. Aus religiöser Tradition werden noch vor Sonnenaufgang die Opferlämmer rituell geschlachtet. Das kleine neugierige Mädchen schreit beim Anblick des vielen Blutes entsetzt auf und fällt in Ohnmacht. Der Koch bringt das Mädchen vom Schlachtraum zurück in die Villa, doch als er ins Nebengebäude zurückkehrt, blinzelt schon die Sonne über den Horizont, Grund genug für Allah, das Opfer nicht mehr anzunehmen. Gigi fühlt sich schuldig. Selbst als Erwachsene geht sie noch davon aus, dass es ihre kindliche Neugier war, die ein böses Omen über ihre ganze Familie ausgegossen hatte.

Noch in jenem Jahr 1961 verkündete Staatspräsident Nasser den „arabischen Sozialismus“ für Ägypten, woraufhin das Vermögen von Gigis Familie beschlagnahmt und der Grundbesitz unter eine Zwangsverwaltung gestellt wurde. Von nun an sind die kleine Gigi und ihre Familie „Volksfeinde“.

Mit 18 Jahren bekommt Gigi von ihrer Tante Zorah einen angemessenen Bräutigam. Yussef Zeitouni ist ein Sohn eines einflussreichen Geschäftsmannes in Kairo. Große Gefühle füreinander sind eigentlich bei beiden nicht vorhanden. Yussef kam überhaupt erst am Tage vor der Eheschließung aus London zurück. Im Kairohaus wird eine opulente Hochzeit ausgetragen und Gigi geht danach mit ihrem Mann nach London.

Tagsüber widmet sich Yussef seinem Studium, abends seinen Freunden und seine junge Frau sitzt einsam und allein in einer kleinen Parterrewohnung in der King’s Road. Als Gigi schwanger wurde, wurde ihr Heimweh nur noch größer.

Fünf Jahre später ist Gigi mit ihrem Sohn Tarek endlich in Kairo, da Yussef geschäftlich in Saudi-Arabien unterwegs ist. Gigi findet in Kairo sogar Arbeit als Übersetzerin und Journalistin bei der Zeitung El-Ahram. Ihr Onkel Pasha ist inzwischen wieder zu mehr Einfluss und Macht gekommen und verspricht Gigi, sie in ihrem Wunsch, sich von Yussef zu trennen, zu unterstützen. Es ist in Ägypten Tradition, dass der Mann die Scheidung einreicht und das Sorgerecht für die Kinder behält.

Yussef Zeitouni ist nicht dazu bereit, in die Scheidung einzuwilligen. Seit beziehungsweise wegen ihres Scheidungsantrags findet sich ihr Name plötzlich auf einer Liste wieder, die all jene Personen ausweist, die bei Ausreiseversuch an der Grenze abzufangen sind. Am gleichen Tage reagierte Sadat auf ein Attentat mit einer Welle von Verhaftungen. Betroffen davon war auch ihr Onkel Pasha. Ihre Tante Zorah eröffnet ihr spontan eine Möglichkeit, nach Frankreich zu fliehen, die Gigi ohne ihren Tarek nutzen musste.

Zumindest hat Yussef zugestimmt, dass Tarek von Gigis Mutter umsorgt wird. Gigis Cousine musste ins Exil in den Libanon. Beide Frauen stehen in engem, freundschaftlichen Kontakt.

Gigi wendet sich irgendwann an Luc, einem französischen Journalisten, den sie noch in Kairo kennenlernte und heiratet ihn. Yussef möchte inzwischen eine andere Frau heiraten und willigt deshalb in die Scheidung ein. Gigi geht mit Luc in die USA. Erst zehn Jahre später wagt es Gigi, nach Kairo zu fliegen, um Erbschaftsangelegenheiten in Bezug auf das Kairohaus zu regeln.

Die Autorin

Samia Serageldin wurde 1952 in Kairo geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Ägypten. Nach der Schule und ihrem Studium der Politikwissenschaften in England und Frankreich lebte sie ab 1980 in den USA. Sie verfasste belletristische Arbeiten, war Essayistin, Kolumnistin und Herausgeberin und beteiligte sich engagiert an vielen Veranstaltungen zum Thema Islam. Ihr erster Roman „Das Kairohaus“ trägt stark autobiografische Züge.

Pressestimmen

Booklist – „Samia Serageldin erweckt auf wunderbare Weise die glanzvollen Zeiten Kairos für uns wieder zum Leben.“

The Economist – „Die Botschaft dieses bewegenden Romans: Regierungen kommen und gehen, Häuser werden erworben und wieder verkauft, aber das Exil bleibt für alle Zeiten im Herzen dessen, der es erlebt hat.“

Choice – „Dieser Roman ist eine großartige Entdeckung!“

Middle East Journal – „Samia Serageldins Roman gibt uns einen tiefen Einblick in die Situation von Frauen, die mehr als einmal in eine fremde Haut schlüpfen mussten – körperlich und seelisch ausgebürgert, heimatlos geworden.“