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Peter Scholl-Latour: Afrikanische Totenklage – Der Ausverkauf des schwarzen Kontinents

Es ist eine schonungslose Dokumentation und zugleich ein engagiertes Plädoyer, denn nahezu das gesamte Schwarz-Afrika droht in Chaos und Gewalt zu versinken: Hungersnot in Äthiopien, Völkermord in Ruanda oder Diamantenkrieg in Sierra Leone sind nur drei Beispiele der vielen traurigen Themen, um die es geht.

Der Vollblutjournalist Peter Scholl-Latour ist geradezu eine Reporterlegende. In seinem Buch untersucht er die Ursachen, beleuchtet soziale und kulturelle Hintergründe und nennt auch die Namen der Verantwortlichen. Gleichzeitig liefert er ein engagiertes Plädoyer ab, das sich gegen die beispiellose Gleichgültigkeit der Welt richtet.

Es ist gleichsam eine Bilanz seiner Reisen ins „Herz der Finsternis“. Verantwortlich für das große Scheitern Afrikas sind nach seiner Überzeugung die westlichen Industrienationen, weil diese nicht nur mit Desinteresse und Hilflosigkeit glänzen, sondern die afrikanischen Länder ihrer Rohstoffe berauben.

In seinem Fazit stellt Scholl-Latour fest, dass im Vergleich zur heutigen Situation rückblickend die ehemalige europäische Kolonisation geradezu eine „relativ humane Form“ der Fremdherrschaft war.

Das Buch enthält 30 Tafeln mit Fotos und Karten.

Pressestimmen

Die Tageszeitung (19.02.2002):

,,Ein ‚schreckliches Zeugnis des Ressentiments und der Selbstüberschätzung‘ stellt für Ulrike Herrmann das Afrika-Buch des journalistischen Urgesteins der Öffentlich-Rechtlichen, Peter Scholl-Latour, dar. Nach 50 Jahren Korrespondententätigkeit hat der Journalist seine Afrika-Erfahrungen zusammengefasst, aber in Wahrheit, so Herrmann, nur seine Ressentiments aufgefrischt. Fast alles findet Herrmann ärgerlich: Abenteuer würden eitel angedeutet, aber nie erzählt, die Menschen ausschließlich in rassistischen Kriterien erfasst (selbst Europäer), Frauen kämen nur als Sexobjekte vor, und Afrikaner bloß, wenn sie einen höheren gesellschaftlichen Rang bekleideten, als Slumbewohner oder einfache Bauern hätten sie keine Chance, in Scholl-Latours Berichten eine Rolle zu spielen. Denn in Wirklichkeit interessiere sich der Journalist überhaupt nicht für die Menschen und für den Kontinent auch nicht – der sei ihm eigentlich zuwider. Politisch wiederholt Scholl-Latour laut Herrmann eine einzige These: Die von den Supermächten USA und Frankreich, die im Krieg um Diamanten, Öl und Gold Stammesfehden anzetteln und Söldnerheere das Land verwüsten lassen. Ihr Fazit: ein einziges Ärgernis.“

Nachsatz

Diese überaus heftige Kritik sei uns ein Anlass, Scholl-Latours Standpunkt über journalistische Arbeit einmal selbst erläutern zu lassen. Dem liegt zwar ein Interview zugrunde, wir fassen hier lediglich sinngemäß Auszüge der Antworten von Peter Scholl-Latour zusammen, die zeigen, wie wichtig es ist, sein Buch selbst zu lesen.

„Bei den Privaten wurde über Programm nicht geredet“

Den Vorsitz des Programmbeirats führte Günther Müggenburg, Johannes Gross war sein Adlatus. Das war alles sehr amüsant, aber eigentlich hatten sie mit den Managern nicht viel zu tun. Mit Staunen erlebte ich da, dass es in den Sitzungen vorrangig um Quoten sowie die Zusammensetzung der Zuschauer ging. Das befremdete mich etwas.

Wenn ich einen Film im ZDF machte, vielleicht eine Dokumentation, die oftmals sogar recht spät platziert wurde, rief mich morgens ein erfreuter Redakteur an und nannte die Einschaltquote und die Reichweite. Als Fernsehdirektor konnte mir diese Art von Zustimmung durch das Publikum ziemlich egal sein. Ist doch war, dass sich die Zuschauer auch mal amüsieren möchten, daher gehörte Millowitsch natürlich ins Programm. Darüber hinaus haben wir moderne, elektronische Unterhaltung produziert, gewiss auch hin und wieder experimentiert.

Ich selbst habe fast nur CNN gesehen, weil ich zu jedem Ereignis auch stets die amerikanische Sichtweise erfahren wollte. Ohnehin finde ich, dass CNN immer über die besseren Bilder verfügte und deutsche Kommentare fand ich meistens ziemlich irrelevant.

„Tiefes Misstrauen gegenüber allen Bildern“

Im Golfkrieg wurde ja nur gemogelt, da gab es kein einziges authentisches Bild. Das ging bei der Ölverschmutzung los, zog sich weiter über die Brutkästen und schloss auch Militäreinsätze ein, die gar nicht stattfanden, da die Bilder Übungsmanöver zeigten. Die generalstabsmäßige Tötung irakischer Soldaten hat natürlich keiner gefilmt.

In Köln gab es mal die Ausstellung: „Bilder, die lügen“. Wer sie besucht hat, versteht, dass wir Bildern nicht vertrauen dürfen. Erinnern Sie sich noch an jene grünen Flackerbilder aus Afghanistan? Was da genau zu sehen war, hat uns doch nie jemand erklärt.

Mein Durchbruch im Fernsehen führe ich auf den Kongo zurück. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung war ich in Marseille in See gestochen. Drei Wochen später erreichte ich Léopoldville gerade noch rechtzeitig, als die ganze Sache dort richtig losging.

„Die Wortwahl ist entscheidend“

Euronews bringt gern Bilder in dieser speziellen Form des „no comment“, aber das halte ich für Schwachsinn. Allerdings kann auch kaum noch jemand gute Texte machen. Meistens sind sie heute bei verarmter Sprache stilistisch erbärmlich. Gut gefällt mir in dieser Hinsicht Claus Kleber in Washington. Er formuliert ruhig, also ohne die übliche Hektik, da sitzt alles.

Der Abschiedsbrief des Terroristen Atta war eine Fälschung, ebenso der Aufruf zum Heiligen Krieg durch bin Laden, ausgerechnet in englischer Sprache. Wer einen Anschlag dieses Kalibers minutiös plant, lässt keinen derartigen Appell aus Versehen in einem angemieteten Auto liegen. Glauben Sie mir, es wird in der Tat schamlos gefälscht. Gewiss fallen auch die Amerikaner auf derartige Dinge rein. Kein Journalist kann so etwas nachprüfen.

Immerhin ist das, was von Osama bin Laden via El Dschasira verbreitet wurde, so gesendet worden, wie es die Beteiligten beabsichtigten, denn die CIA hatte da ihre Finger nicht drin. Ich kenne ja die Leute dieses Senders. Das sind keine Fundamentalisten, vielmehr junge Intellektuelle.

„Die Bilder der Taliban sind weniger manipuliert als jene der Amerikaner“

Ich habe mich immer wieder gefragt, was die in Kabul eigentlich bombardieren. Will man wirklich wieder zu einer sauberen Dokumentation zurückkehren, ist der Anspruch auf die objektive Wahrheit nicht unbedingt das oberste Ziel, aber das persönliche Erlebnis des Korrespondenten vor Ort ist durch nichts zu ersetzen.