Roland Müller: Die Töchter des Pflanzenjägers
Roman
Limes
Umfang: 352 Seiten
Ladenpreis: ca. € 21,90 [D]
ISBN: 3-8090-2466-X
ET: Februar 2003
Roman
Limes
Umfang: 352 Seiten
Ladenpreis: ca. € 21,90 [D]
ISBN: 3-8090-2466-X
ET: Februar 2003
Als Reuben Land geboren wurde, wollte das Baby partout nicht atmen. Seinem Vater, nicht den Ärzten, gelang es dann doch noch, das Baby ins Leben zu holen, indem er ihm mit fester Stimme den eindeutigen Befehl zum Atmen gab.
Elf Jahre danach macht sich sein Vater Jeremiah gemeinsam mit Reuben und dessen Schwester Swede auf die Suche nach dem älteren entflohenen Sohn Davy. Ihre lange Suche führt sie quer durch den gesamten amerikanischen Westen. Bei „Ein wahres Wunder“ handelt es sich um eine bezaubernde, poetische Geschichte über das Leben und auch über die Kraft der Liebe.
Zeitlich befinden wir uns zu Beginn der 1960er-Jahre. Reuben lebt mit seinem Vater, er ist Hausmeister an der Schule, seiner kleineren Schwester Swede und dem schon fast volljährigen Bruder Davy in der Kleinstadt Roofing in Minnesota. Die Mutter hatte ihre Familie schon vor längerer Zeit verlassen, deshalb hängt Reuben sehr an seinem Vater Jeremiah. Er weiß, dass sein religiöser Vater ein besonderer Mensch ist. Eines Nachts sieht Reuben, wie Jeremiah, der sehr in sein Gebet vertieft ist, über die Ladefläche des Lastwagens hinaus schreitet und sicheren Schrittes einfach durch die Luft weitergeht. Nun wusste Reuben, dass sein Vater Wunder vollbringen kann.
Die beiden Halbstarken Tommy und Israel bedrängen eines Tages die Freundin seines Bruders Davy. Jeremiah konnte gerade noch einschreiten. Wenig später dringen die Halbstarken mit Gewalt in Jeremiahs Haus ein, um sich zu rächen. Dabei hat Davy sie erschossen, wofür er wegen Mordes angeklagt wird. Aber er entflieht aus dem Gefängnis, schnappt sich ein Pferd und entschwindet in die Dunkelheit.
Die Fahndung nach ihm bleibt erfolglos. Doch Vater Jeremiah möchte seine Familie wieder vereinen und beschließt, dass sich alle zusammen auf die Suche nach ihm machen. Verfolgt vom FBI ziehen sie durch märchenhafte Winterlandschaften und kommen schließlich in den Badlands an, das ist eine Felsformation in North Dakota, wo sich Davy beim zwielichtigen Jape Waltzer versteckt halten soll. Reuben findet seinen Bruder dort tatsächlich und schwört, dass er das Versteck nicht verraten wird. Aber nachdem Jape jemanden ermordet hat, führt Reuben schließlich eine Suchmannschaft zu jener abgelegenen Hütte, die aber schon leer ist.
Jeremiah und sein Gefolge kehren enttäuscht zurück und bewohnen nun eine Farm etwas außerhalb von Roofing. Eines Tages taucht Davy dort auf, wird aber von Jape Waltzer verfolgt, weil dieser glaubt, dass Davy ihn verraten hat. Waltzer beginnt blindwütig um sich zu schießen, dabei werden Jeremiah und Reuben getroffen. Letzterer verliert sogleich sein Bewusstsein und gleitet in eine märchenhafte Traumwelt ab, wo er seinem Vater begegnet, der ihm noch einmal das Leben schenkt. Als Reuben wieder die Augen aufmacht, ist seine eigentlich tödliche Wunde verheilt, aber sein Vater Jeremiah ist dafür seinem Streifschuss erlegen.
Leif Enger spinnt noch viele Episoden um diese Basis: Reubens erste Liebe, die wundersame Begegnung mit einer jungen Witwe, welche für Reuben wie eine Mutter ist, oder Jeremiahs „Wahre Wunder“. Die kleine, romantisch veranlagte Schwester Swede ist übrigens überzeugter Westernfan und entwickelt sich schon in jungen Jahren zur begabten Dichterin.
Leif Enger ist in Osakis, Minnesota, aufgewachsen. Zunächst arbeitete er als Reporter und Redakteur in einem lokalen Radiosender. Mit diesem Debüt „Ein wahres Wunder“ wurde Leif Enger quasi über Nacht zu einem Bestsellerautor. Ganz authentisch lebt Enger mit seiner Frau und zwei Söhnen in Minnesota auf einer Farm.
Denver Post – „Ganz selten, nur alle paar Jahre einmal, gibt es ein Buch, das solch wundervolle Charaktere und eine solch großartige Prosa vorweisen kann, und das man nicht nur liest, weil man herausfinden will, wie es endet, sondern auch wegen der reinen Freude, die die Lektüre jeder einzelnen Seite einem bereitet. ‚Ein wahres Wunder‘ ist eines dieser sehr seltenen Bücher, die einem ein beständiges Lächeln auf das Gesicht zaubern, die den Leser oft innehalten und zurückblättern lassen, weil sie ihn verzaubert haben durch ihre einfache, makellose Schönheit. … Sie werden dieses Jahr nichts Besseres zu lesen bekommen. Gehen Sie los und kaufen Sie sich ein Exemplar. Dieser Roman ist etwas ganz Besonderes.“
Frank McCourt – „Mit einer Sprache, klar und frisch wie ein Herbsttag in Minnesota, entfaltet ‚Ein wahres Wunder‘ einen Zauber, so wundersam und weise, dass einem das Herz aufgeht.“
Jim Harrison – „Sobald man ‚Ein wahres Wunder‘ aufschlägt, wird man unweigerlich mitgerissen von der elementaren Kraft der Erzählung, wird vorangetrieben von dem unbezwingbaren Wunsch zu erfahren, was geschehen wird mit den Charakteren, die einem so sehr ans Herz gewachsen sind.“Rick Bass – „Ein wirklich großartiges Buch, in dessen Lektüre der Leser vollständig und aufs wundervollste versinken kann. Die Menschen in diesem Buch begleiten einen Tag und Nacht; und indem wir es lesen, überschreiten wir die Grenze zu einem erstaunlichen Land.“
Publishers Weekly – „Ein überwältigendes Debüt, das den Leser umfängt und wärmt wie eine weiche Decke im kalten Winter; ein Roman über Glauben, Wunder und über die Stärke von Familienbanden, der selbst ein wahres Wunder ist.“Booklist – „Engers Sprache ist von jener Klarheit und jenem Reichtum, nach denen viele Dichter oft vergeblich streben. Der Leser wird hineingezogen in eine außerordentlich tief empfundene, bewegende Geschichte … Hinter Engers bezwingender Prosa steht seine profunde Einsicht in das Wesen der menschlichen Natur.“
New York Times Book Review – „Enger zeichnet sich durch eine überraschend lebhafte Schreibweise und äußerst geschickt konstruierte Sätze aus.“
Kirkus Reviews – „Wunderschön geschrieben; ein Buch, erfüllt von der einzigartigen Stimmung und dem Duft der weiten Ebenen Amerikas.“
Los Angeles Times Book Review – „Solche Romane gibt es nicht allzu oft!“
Roman
Manhattan
Aus dem Englischen von Regina Rawlinson
Originaltitel: Peace like a River
Umfang: 416 Seiten
Ladenpreis: sFr 38,50 / € 21,90 [D]
ISBN: 3-442-54539-0
Erscheinungstermin: Februar 2002
von Cees Nooteboom (Autor), Helga van Beuningen (Übersetzer)
Deutsch, Gebundene Ausgabe – 6. März 1994
Die Erzählung beginnt mit dem einfachen Satz: „Der Oberst verliebt sich in die Frau des Arztes.“ Mehr bringt der Schriftsteller von seinem ersten und einzigen Roman nicht zu Papier. Erst ganz allmählich nehmen die Figuren vor seinem geistigen Auge Gestalt an: Oberst Ljuben Georgiew, der Militärarzt Stefan Ficew und dessen Frau Laura. Dass seine Geschichte vor ungefähr 100 Jahren in Bulgarien spielt, dämmert erst so ganz langsam am Horizont seiner Fantasie hoch.
Was hat es eigentlich auf sich mit Sein und Schein, mit Fiktion und Wirklichkeit?
Welche Rolle liegt der Zeit inne, bei solchen Prozessen des Findens oder Erfindens? So strebt jene Dreiecksgeschichte langsam aber sicher ihrem Höhepunkt entgegen, der darin besteht, dass der Schriftsteller nach Rom reist, wo inzwischen auch seine bulgarischen Romanfiguren aus dem vorigen Jahrhundert angekommen sind.
Eine Hommage an Cees Nooteboom von Rüdiger Safranski
In Nootebooms Roman wird unter anderem die Frage gestellt, wozu wir uns so oft mit Fiktionen herumschlagen, wenn doch die Wirklichkeit jeden Tag schon genug Herausforderung für uns ist.
Cees Nooteboom war erst 20 Jahre alt, als er 1953 seinen Roman „Philip en de anderen“ (Das Paradies ist nebenan) schrieb, trotzdem erregte sein Buch großes Aufsehen. Erzählt wird in diesem Buch, wie Philip auf der Suche nach einem chinesischen Mädchen durch Europa trampt. Ein entlaufener Mönch hatte ihm lediglich von diesem Mädchen erzählt. Am Ende findet Philip das Mädchen auch, um es sogleich wieder zu verlieren.
Es ist wohl der Geist der Ironie, der die Frage nach dem Sinn des Erzählens selbst zum Inhalt einer Erzählung werden lässt, so geschehen im Roman „Ein Lied von Schein und Sein“.
Die Dreiecksgeschichte spielt in Bulgarien im Jahre 1878. Die Zutaten sind ein kochender Kessel mit Blut aus sinnlosen, dummen Kriegen, ein Oberst, der Schopenhauer mag und von Albträumen geplagt wird, ein Arzt, der das Licht Italiens liebt, und dessen Frau, die ihrerseits den Oberst liebt. Doch das Finale der Geschichte spielt sich in Rom ab, wo der Erzähler 100 Jahre danach das alles in einem Hotelzimmer aufschreibt.
Cees Nooteboom möchte wissen, wo sich die Geschichten eigentlich vorher befinden, die der Schriftsteller gerade erfindet. Hat der Autor Macht über sie oder ist es eher umgekehrt, dass die Geschichten Macht über ihn haben? Denken wir wirklich aktiv selbst oder sucht sich der Gedanke lediglich einen Kopf, wo es ihm gemütlich ist?
Der Faschismus oder der real existierende Sozialismus waren Erfindungen, ja Mythen, auf deren Basis die Wirklichkeit organisiert und zugleich überwältigt wurde. Wo wir auch hinsehen, überall weiter nichts als Imaginationen. In welcher Welt lebt der Mensch, der viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt? Wie real ist die Wirklichkeit in diesen Zeiten der alles dominierenden Telekommunikation?
Nooteboom berichtet darüber, wie er auf den Spuren von Cervantes stets auf Don Quijote, Sancho Pansa und die Dulcinea trifft, als hätten diese und nicht Cervantes tatsächlich gelebt. Wir wissen, wie Don Quijote aussah, aber von Cervantes können wir uns kein Bild machen. Auch das Haus der Dulcinea samt Einrichtung kann heute jeder besichtigen.
Das Lied von Schein und Sein sollte ursprünglich lediglich ein Teil des Romans „Rituale“ sein, jenes Werkes, das Nooteboom selbst sein Opus magnum nennt. Auch hierin geht es um eher verkrampfte Versuche der Sinngebung für das Sinnlose.
Rituale ist so melancholisch wie ironisch. Das Buch beschäftigt sich mit der allesfressenden Zeit sowie mit den selbstzerstörerischen Versuchen, dem zu entkommen. Dichter und Erzähler sind heute wie Penelope, die in der Nacht das Gewebe wieder auflöst, welches sie am Tage gewirkt hat.
Es ist schon eine Krux: So sehr wir es auch möchten, wir können die Ausblendung des Bewusstseins beim Einschlafen nicht erleben, wer darauf besteht, kann nicht einschlafen. Tatsächlich sind wir dazu verdammt, den „kleinen Tod“ jeden Tag zu verpassen.
Andreas Schlieper
Tractatus Satanicus
Die Geschichte des Teufels, von ihm selbst erzählt
Aufgezeichnet und herausgegeben von Andreas Schlieper
C.Bertelsmann
Umfang: 608 Seiten
Ladenpreis: € 26,00 [D] / € 26,80 [A] / sFr 43,80
ISBN: 3-570-00739-1
ET: September 2003
Heinrich Bockelmann war der Großvater von Udo Jürgens. Nachdenklich schlenderte Heinrich im Jahre 1891 über den Bremer Weihnachtsmarkt. Er dachte darüber nach, ob er sein Glück in Amerika oder doch lieber in Russland suchen sollte. Gemäß der Schilderung seines Vaters sei eben nicht Amerika, sondern Russland das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. In diesem Moment erklang die bekannte russische Weise „Kalinka“ ausgerechnet aus einem Fagott, geradezu wie ein Echo seiner Gefühle, das musste wohl ein Zeichen des Schicksals sein.
Gleich nach seiner Ankunft entdeckte Heinrich Bockelmann eine Bronzestatue in einem Moskauer Antiquitätengeschäft. Es handelte sich dabei, welch ein Zufall, um einen Mann mit einem Fagott. Das Geheimnis um jenen Fagott-Spieler in Bremen und diese Bronzefigur, das den ganzen Lebensweg von Heinrich Bockelmann zu bestimmen schien, ist ein Leitmotiv des Romans.
Im zaristischen Russland arbeitete sich Heinrich Bockelmann zum Mit-Inhaber der berühmten Junker-Bank hoch. Auf dieser Privatbank bunkerte sogar der Zar höchst persönlich einen erheblichen Teil seines Vermögens. Fast folgerichtig heiratete Heinrich die Tochter des Bankgründers, Anna, mit der er fünf Söhne haben sollte: Erwin, Rudi, Werner, Gert und Johnny.
Doch bald kam es zu Demonstrationen und 1905 zum Petersburger „Blutsonntag“. Straßenkämpfe zwischen zarentreuen Bürgern und Revolutionären sollten bald in einen Umsturz münden. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden plötzlich alle Deutschen zu Feinden Russlands erklärt. Heinrich Bockelmann versuchte, zusammen mit seiner Familie, nach Schweden zu fliehen. Anna und seine Söhne schafften es tatsächlich, das Land zu verlassen, doch er selbst wurde verhaftet und kam nach Wjatka in die Verbannung.
Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis ihm ebenfalls die Flucht nach Schweden gelang. Mithilfe eines alten Freundes, Baron Rothschild, startete er dort einen Neubeginn. In der Hoffnung, einen Beitrag leisten zu können, den furchtbaren Krieg zwischen Deutschland und Russland endlich zu beenden, schloss er sich einer Initiative von deutschen Geschäftsleuten an, die den Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin im Jahre 1917 in einem Zug aus dessen Schweizer Exil heraus nach Russland bringen sollten.
1921 kehrte Heinrich nach Deutschland zurück. Etliche Jahre später erstarkten die Nationalsozialisten, was den Demokraten Heinrich dazu veranlasste, Deutschland wieder zu verlassen. In Österreich kaufte er zunächst das Schloss Ottmanach, um schließlich nach Meran zu gehen, wo er im Winter 1945 verstarb. Seine Söhne hatte er nicht mehr wiedergesehen.
Sein ältester Sohn Erwin engagierte sich nach dem Krieg sehr erfolgreich in der Ölindustrie. Der zweitgeborene Rudi, der Vater von Udo Jürgens, verwaltete das Schloss Ottmanach und geriet in die Fänge der Gestapo. Wegen des nahenden Kriegsendes entkam dieser aber der Vollstreckung des Todesurteils. Werner war der Dritte in der Reihe und engagierte sich schon früh in der kommunistischen Partei. Nach dem Krieg war er einer der führenden sozialdemokratischen Politiker in Deutschland und empfing zum Beispiel als Oberbürgermeister von Frankfurt im Jahre 1963 den US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Frankfurter „Römer“. Der jüngste Bruder Johnny kehrte auf abenteuerlichem Wege erst spät aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Deutschland.
Rudi Bockelmann hat drei Söhne, darunter eben auch Udo Jürgens, der auf Schloss Ottmanach aufwächst und als Musiker große Karriere macht. Noch als Kind erlebt er Nazideutschland für eine kurze Zeit und natürlich das Kriegsende.
Das Schicksal der Familie Bockelmann ist nur ein Beispiel, das mit diesem Buch aus der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts herausgegriffen wurde. Erzählt wird darin von Glanz und Gloria der Zarenzeit, von den stürmischen Zeiten zweier Weltkriege, von den Schreckensherrschaften kommunistischer und nationalsozialistischer Diktaturen, von Gefangenschaft, Befreiung und Flucht sowie vom Kampf für Demokratie und Humanität bis hin zu einem geeinten Europa nach der Überwindung des Kalten Krieges.
Dabei war die Musik für Udo Jürgens schon seit seiner Kindheit ein Vehikel für ein besseres Verständnis der Welt.
Udo Jürgens-Bockelmann wurde am 30. September 1934 im österreichischen Klagenfurt geboren. Er war Musiker, Komponist, Interpret und Entertainer. Dieses Buch ist sein Versuch, die eigenen Wurzeln aufzuspüren, gleichsam eine literarische Spurensuche in einem turbulenten Jahrhundert, das von Monarchien, Faschismus, Kommunismus und Demokratien geprägt war und sowohl Frieden und Glanz, aber auch viel Elend und Krieg hervorbrachte.
Michaela Moritz wurde erst 1970 geboren, lebt in der Nähe des Bodensees und erhielt 1994 (unter einem Pseudonym) den österreichischen Nachwuchsförderpreis für Literatur.
Der Schäfer George Glenn liegt eines Morgens tot im Gras. Die Art und Weise ist schauerlich: Er ist geradezu an den Boden genagelt worden, und zwar mit einem Spaten. Seine Schafe, die ihn so finden, rätseln: Wer hat das wohl gemacht?
Miss Marple ist mit Abstand das klügste Schaf in der Herde, vielleicht sogar weltweit. Sie denkt darüber nach, wie man den Mörder wohl aufspüren könnte und vor allem, was dann zu tun sei. Vielleicht ist es doch besser, einfach nur drum herum weiterzugrasen?
Doch die Schafe beraten darüber und treffen eine Entscheidung. Sie wollen Gerechtigkeit und deshalb dafür sorgen, dass der Mörder seiner verdienten Strafe zugeführt wird. An schönen Tagen hatte George den Schafen zum Beispiel Pamela-Romane vorgelesen, darin ging es nicht nur um starke Männer und schöne Frauen, sondern auch schon mal um Mord. Insofern fühlten sich einige der Schafe durchaus fit, den Kriminalfall zu lösen.
Zuerst versuchen sie, das Verhalten der Menschen genauer zu beobachten. Der Gelegenheiten dazu bieten sich viele, da sich in den kommenden Tagen viele Menschen auf ihrer Weide herumtreiben. Da ist zum Beispiel Georges Frau Kate oder jener schwarze Mann, der Gott genannt wird. Es kommen viele Schaulustige, aber auch Journalisten.
Ham ist der Metzger und den können die Schafe gar nicht leiden. Er schlich da im Nebel herum, stürzte dann aber die Klippen herunter, so ein Pech aber auch. Eines Nachts versuchten merkwürdige Gesellen in den Wagen des Schäfers einzubrechen. Dann kam in einem auffallend roten Kleid eine fremde Frau.
Der schwarze Vierhornwidder Othello fängt an, den Mann namens Gott aufs Horn zu nehmen, und Mopple the Whale ist das immerzu hungrige Gedächtnisschaf. Was sie einmal gehört hat, vergisst sie nie wieder. Doch sie hat furchtbare Angst vor dem Metzger.
Eines Tages taucht Melmoth wieder auf. Er ist der Zwilling des Leitwidders Sir Ritchfield und war lange verschollen. Der Einzelgänger ist ein Wanderschaf und mit allen Wassern gewaschen, aber redet eigentlich immer in Rätseln. Melmoth erinnerte sich dunkel an gewisse Ereignisse, die vor mehreren Jahren in einer Winternacht in einem Steinbruch geschahen. Auch damals wurde in Glennkill ein Mann mit einem Spaten getötet.
Viele nicht enden wollende Diskussionen im Heuschuppen, so manche heimliche Expedition ins Dorf und viel Mut waren nötig, um die Schafe der Lösung des Rätsels näherzubringen. Doch wie können die Schafe nun den Menschen erklären, was sich in jener regnerischen Nacht auf der Weide tatsächlich abgespielt hat?
Der „Smartest-Sheep-of-Glennkill-Contest“ ist überhaupt die Touristen-Attraktion des Ortes. Diese Veranstaltung sollte eine Gelegenheit für Georges Schafe sein, der Gerechtigkeit Raum zu geben. Doch bis zuletzt wird dieser Fall bei den Schafen noch für Überraschungen sorgen.
Leonie Swann, geboren 1975 nahe München, studierte Englische Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie. Die Idee zum Buch entwickelte sich während eines Paris-Aufenthalts, als sie von einer starken Sehnsucht nach Landleben überwältigt wurde. Mit Schafen war sie bereits im Zuge ihrer Irlandreise in Kontakt gekommen. Ihr Roman hat sogar internationale Verlage überzeugt. Übersetzungsrechte wurden nach England, Niederlande, Frankreich, Italien und in die USA verkauft.
Giha Seif-el-Islam fühlt sich auf der einen Seite fremd, auf der anderen Seite aber zu Hause, als sie nach sehr langer Zeit auf dem Kairoer Flughafen ankommt, um ihre in Ägypten sehr bekannte Familie zu besuchen. Vor über zehn Jahren hatte sie ihre Heimat verlassen müssen, ihren einzigen Sohn Tarek musste sie damals in der Obhut ihrer Mutter zurücklassen.
Gigis Elternhaus befindet sich in der Nähe von Kairo und wurde schon vor einiger Zeit vermietet. Das amerikanische Unternehmen, das darin seine Zelte aufgeschlagen hat, machte ein Bürogebäude daraus. Immerhin wurden zwei Räume im Parterre als Gäste-Apartment abgetrennt. Hier durfte Gigi nun für die Zeit ihres Aufenthalts wohnen. Sie befindet sich als „Fremde“ im Hause ihrer Kindheit und blättert wehmütig in einem Fotoalbum. Die Geschichte ihrer Familie nimmt dabei wieder Form an.
Seif-el-Islam Pasha war Gigis Urgroßvater. Mit seinem ganzen Clan war er einst vom Nildelta nach Kairo gekommen, wo er es zu ansehnlichem Reichtum gebracht hatte. In Italien traf er einen Architekten, der für ihn am Rande von Kairo eine repräsentative Villa errichtete, eben das Kairohaus.
Seif-el-Islam Pasha war einer der Anführer der Nationalbewegung, die sich sowohl gegen die Briten als auch gegen die damals regierende Herrscher-Dynastie erhob. Sein Sohn erreichte einen Sitz im Parlament und sein ältester Enkel wurde schließlich der Vorsitzende der mächtigsten Partei und sogar Premierminister unter König Faruk.
Doch diese schöne Karriere endete 1952 jäh mit der Revolution und der Machtübernahme durch Oberst Gamal Abd-el Nasser. Damit lag das Glück in den Händen ganz anderer Leute, die alten Eliten wurden geradezu kaltgestellt. Der entlassene Premierminister verwaltete und bewohnte zunächst noch das „Cairo House“, das er zusammen mit seinen acht Geschwistern geerbt hatte. Sein jüngster Bruder hieß Shamel und war Gigis Vater.
Gigi wurde in jenem denkwürdigen Revolutionsjahr 1952 geboren. Sie ist Angehörige einer sozialen Oberschicht. Mit neun Jahren ist sie wie üblich beim islamischen Opferfest im Cairo House dabei. Aus religiöser Tradition werden noch vor Sonnenaufgang die Opferlämmer rituell geschlachtet. Das kleine neugierige Mädchen schreit beim Anblick des vielen Blutes entsetzt auf und fällt in Ohnmacht. Der Koch bringt das Mädchen vom Schlachtraum zurück in die Villa, doch als er ins Nebengebäude zurückkehrt, blinzelt schon die Sonne über den Horizont, Grund genug für Allah, das Opfer nicht mehr anzunehmen. Gigi fühlt sich schuldig. Selbst als Erwachsene geht sie noch davon aus, dass es ihre kindliche Neugier war, die ein böses Omen über ihre ganze Familie ausgegossen hatte.
Noch in jenem Jahr 1961 verkündete Staatspräsident Nasser den „arabischen Sozialismus“ für Ägypten, woraufhin das Vermögen von Gigis Familie beschlagnahmt und der Grundbesitz unter eine Zwangsverwaltung gestellt wurde. Von nun an sind die kleine Gigi und ihre Familie „Volksfeinde“.
Mit 18 Jahren bekommt Gigi von ihrer Tante Zorah einen angemessenen Bräutigam. Yussef Zeitouni ist ein Sohn eines einflussreichen Geschäftsmannes in Kairo. Große Gefühle füreinander sind eigentlich bei beiden nicht vorhanden. Yussef kam überhaupt erst am Tage vor der Eheschließung aus London zurück. Im Kairohaus wird eine opulente Hochzeit ausgetragen und Gigi geht danach mit ihrem Mann nach London.
Tagsüber widmet sich Yussef seinem Studium, abends seinen Freunden und seine junge Frau sitzt einsam und allein in einer kleinen Parterrewohnung in der King’s Road. Als Gigi schwanger wurde, wurde ihr Heimweh nur noch größer.
Fünf Jahre später ist Gigi mit ihrem Sohn Tarek endlich in Kairo, da Yussef geschäftlich in Saudi-Arabien unterwegs ist. Gigi findet in Kairo sogar Arbeit als Übersetzerin und Journalistin bei der Zeitung El-Ahram. Ihr Onkel Pasha ist inzwischen wieder zu mehr Einfluss und Macht gekommen und verspricht Gigi, sie in ihrem Wunsch, sich von Yussef zu trennen, zu unterstützen. Es ist in Ägypten Tradition, dass der Mann die Scheidung einreicht und das Sorgerecht für die Kinder behält.
Yussef Zeitouni ist nicht dazu bereit, in die Scheidung einzuwilligen. Seit beziehungsweise wegen ihres Scheidungsantrags findet sich ihr Name plötzlich auf einer Liste wieder, die all jene Personen ausweist, die bei Ausreiseversuch an der Grenze abzufangen sind. Am gleichen Tage reagierte Sadat auf ein Attentat mit einer Welle von Verhaftungen. Betroffen davon war auch ihr Onkel Pasha. Ihre Tante Zorah eröffnet ihr spontan eine Möglichkeit, nach Frankreich zu fliehen, die Gigi ohne ihren Tarek nutzen musste.
Zumindest hat Yussef zugestimmt, dass Tarek von Gigis Mutter umsorgt wird. Gigis Cousine musste ins Exil in den Libanon. Beide Frauen stehen in engem, freundschaftlichen Kontakt.
Gigi wendet sich irgendwann an Luc, einem französischen Journalisten, den sie noch in Kairo kennenlernte und heiratet ihn. Yussef möchte inzwischen eine andere Frau heiraten und willigt deshalb in die Scheidung ein. Gigi geht mit Luc in die USA. Erst zehn Jahre später wagt es Gigi, nach Kairo zu fliegen, um Erbschaftsangelegenheiten in Bezug auf das Kairohaus zu regeln.
Samia Serageldin wurde 1952 in Kairo geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Ägypten. Nach der Schule und ihrem Studium der Politikwissenschaften in England und Frankreich lebte sie ab 1980 in den USA. Sie verfasste belletristische Arbeiten, war Essayistin, Kolumnistin und Herausgeberin und beteiligte sich engagiert an vielen Veranstaltungen zum Thema Islam. Ihr erster Roman „Das Kairohaus“ trägt stark autobiografische Züge.
Booklist – „Samia Serageldin erweckt auf wunderbare Weise die glanzvollen Zeiten Kairos für uns wieder zum Leben.“
The Economist – „Die Botschaft dieses bewegenden Romans: Regierungen kommen und gehen, Häuser werden erworben und wieder verkauft, aber das Exil bleibt für alle Zeiten im Herzen dessen, der es erlebt hat.“
Choice – „Dieser Roman ist eine großartige Entdeckung!“
Middle East Journal – „Samia Serageldins Roman gibt uns einen tiefen Einblick in die Situation von Frauen, die mehr als einmal in eine fremde Haut schlüpfen mussten – körperlich und seelisch ausgebürgert, heimatlos geworden.“
Wer arbeitet, macht Fehler, heißt es so trefflich. Das findet auch die französische Bestsellerautorin Corinne Maier. Allerdings arbeitet sie tatsächlich, und zwar als leitende Angestellte des französischen Energiekonzerns EDF. Sie zeigt unverblümt, wie jeder in einem Unternehmen seine ganz individuelle Nische finden kann. Man darf es sehr wohl als einen etwas ketzerischen Aufruf zu Individualismus oder besser gesagt zu Ineffizienz bei sicherer Lohnfortzahlung auffassen.
Als „Held der Arbeit“ galt früher derjenige, der loyal und treu ergeben seinem Arbeitgeber dient, ohne dabei auf die Uhr zu schauen. Doch heute zählen ganz offensichtlich andere Qualitäten. Man schütze sich am Arbeitsplatz mit „aktiver Distanzierung“. Eine Umfrage ergab, dass circa 17 Prozent aller Angestellten in Frankreich diese Methode sehr erfolgreich praktizieren. Faktisch bedeutet dies, dass all diese Menschen einer Arbeitsmoral frönen, die man eher mit Sabotage bezeichnen könnte.
Wie konnte das alles so kommen? Eine exzellente Ausbildung ist schon lange keine Garantie mehr für einen sicheren Arbeitsplatz und für eine steile Karriere schon gar nicht. Und die Rente ist sicher, hat aber auch nur Norbert Blüm geglaubt. Im Grunde genommen ist ein Unternehmen schon ein ziemlich absurdes Gebilde, heute völlig ungeeignet für den persönlichen Erfolg. Dunkle Machenschaften, Finanzskandale und sogenannte Sozialpläne haben längst den Glauben der Mitarbeiter an ihre vermeintlichen Führungskräfte untergraben und jegliches Gefühl von Loyalität oder Solidarität zerschlagen.
Erwachet also endlich all ihr kleinen Angestellten, Neosklaven, Lohnabhängigen, Hilfskräfte des ökonomischen Prozesses und Verdammte des Tertiärsektors! Wohl dem, der sich den Kapitalismus dahingehend zunutze macht, selbst darüber zu entscheiden, in welchem Maße er sich ausbeuten lässt beziehungsweise sogar selbst ausbeutet. Und all den vielen anderen des Arbeiterheeres wünscht die Wirtschaftswissenschaftlerin, dass es ihnen gelingen möge, dem freien Spiel der Kräfte so weit wie möglich auszuweichen.
Die Geschichte hat uns oft genug gezeigt, was von Revolutionen zu halten ist, also müssen die kleinen Leute ihre Überlebensstrategie viel subtiler anlegen: „Einfach faul sein“ mag etwas polemisch anmuten, aber es ist zugleich ein wirklich befreiender Aufruf zu einem diskreten Rückzug innerhalb eines Unternehmens. Die Autorin weist den Weg, wie jeder mit äußerst mäßiger Leistung risikolos und dauerhaft abkassiert. Damit das auch wirklich klappt, gibt sie uns wertvolle zehn Gebote mit auf den Weg:
Gewiss provoziert Corinne Maier mit ihrer Ironie und Polemik extra. Ihrem Arbeitgeber hatte ihre Art, sich zu äußern, sehr missfallen und leitete sogar ein Disziplinarverfahren gegen sie ein, woran sich eine hitzige, öffentliche Debatte entzündete. Genau das spielte Corinne Maier in die Hände, denn nun ging es um ein Skandalbuch mit Sprengkraft. In diesen Zeiten der ständigen erzwungenen Gewinnmaximierung durch Lohndumping und Arbeitszeitverlängerung ist das Buch geradezu eine Waffe für alle geknechteten kleinen Arbeitnehmer.
Corinne Maier, Jahrgang 1964, ist Volkswirtin, Politologin und Psychoanalytikerin. Ihre Leidenschaft gilt dem Schreiben und der „Entstaubung“ der Psychoanalyse.
Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs gönnten sich einfache Soldaten in den Schützengräben Weihnachten 2014 aus einem spontanen, gemeinsam empfundenen Gefühl heraus gegenseitig einen kurzen Waffenstillstand. Was später aus diesen Menschen wurde, erzählt der Bestsellerautor Michael Jürgs, zum ersten Mal übrigens aus deutscher Sicht.
Flandern im Dezember 1914. Deutsche Soldaten befinden sich in einem zermürbenden Stellungskrieg gegen Briten, Franzosen und Belgier. Die Distanzen zwischen ihnen betragen kaum 100 Meter. Sie verharren auf einem Teil der völlig erstarrten Frontlinie von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze. Der durchaus mögliche Durchbruch kaiserlicher Truppen war von ungefähr 6.000 Pariser Taxifahrern verhindert worden, die mit einer patriotischen Sternfahrt circa 30.000 Soldaten an diesen Frontabschnitt gekarrt hatten.
Die anfängliche Kriegsbegeisterung, die die Menschen noch im August angetrieben hatte, war bereits weitgehend erstorben, immerhin waren schon Hunderttausende junger Männer völlig sinnentleert gefallen. Der von wochenlangem Herbstregen aufgeweichte Boden war inzwischen tiefgefroren und Schnee bedeckte die vielen erstarrten Leichen, die aus dem Niemandsland niemand zu bergen vermochte, das war viel zu gefährlich.
Doch schon am Vormittag des 24. Dezembers begannen die Soldaten an der Westfront, ihre Waffen niederzulegen, und zwar ohne jeglichen Befehl dazu. Stattdessen wurden spontan gebastelte Pappschilder mit Weihnachtsgrüßen hochgehalten: Merry X-Mas, Frohe Weihnachten oder „WE NOT FIGHT – YOU NOT FIGHT“ stand da auf beiden Seiten der Front zu lesen. Mutige Männer hatten Vertrauen gefasst und kletterten aus ihren Schützengräben. Stille, es fiel wirklich kein Schuss und andere folgten, bis sie alle ungeschützt oben standen. Hüben wie drüben werden nun eilig die toten Kameraden gemeinsam beerdigt.
Bald wurde es dunkel, Tannenbäume begannen zu leuchten und die offiziell verfeindeten jungen Männer sangen gemeinsam, jeder in seiner Sprache, die Friedensbotschaft um Christmas, Weihnachten und Noel. Am nächsten Tag werden sogar Geschenke gegenseitig ausgetauscht, Fotos von ihren Familien machen die Runde, sie essen und trinken zusammen und spielen demonstrativ Fußball im Niemandsland. Sogar einige Offiziere schließen sich dieser spontanen Verbrüderung an und einigen sich darauf, dass endlich Schluss sein muss mit diesem sinnlosen Morden: „à bas la guerre, no more war, wir wollen leben“.
Doch nach zwei Tagen kam der gefürchtete Befehl von oben, denn den obersten Heeresleitungen gefiel diese Ruhe gar nicht. Krieg ist ihr Geschäft, nicht Frieden. Wer nicht schießt, wird bestraft. Am dritten Tag beginnen sie zaghaft, nach vorheriger Absprache über die Köpfe hinweg zu schießen, aber lange lässt sich das so nicht aufrechterhalten und das verordnete Morden ging wieder los. Bis 1918 sollte das dann noch dauern und Millionen Menschen fielen dem Irrsinn zum Opfer.
Michael Jürgs hat alles genau recherchiert, indem er unter anderem Regimentstagebücher in englischen, französischen und belgischen Archiven studierte sowie die Ur-Ur-Enkel der Männer befragte, die damals in jenem Niemandsland zusammen Weihnachten feierten.
Michael Jürgs wurde 1945 geboren und war Chefredakteur bei Stern und Tempo. Als erfolgreicher Journalist hat er sich auch durch mehrere Biografien einen Namen gemacht, dazu gehören die Bestseller „Der Fall Romy Schneider“, „Die Treuhänder“, „Der Fall Axel Springer“, „Gern hab‘ ich die Frau’n geküsst“ (über Richard Tauber), „Bürger Grass“ oder „Alzheimer“. Seine Biografie über Axel-Springer wurde sehr erfolgreich verfilmt.
Im südlichen Mexiko haben die Frauen das Leben in ihre Hände genommen. Juchitán gilt als die Stadt der Frauen. Sie liegt am Isthmus von Tehuantepec, das ist ein Küstenstreifen mit Lagunen voller Flamingo-Kolonien und Pelikanen, die den Fischern zuweilen das Leben schwermachen. Anders als in der Touristenhochburg Oaxaca gibt es in Juchitán mit seinen 100.000 Einwohnern keine Prachtbauten oder architektonischen Glanzlichter, denn hier residierten keine Herrscherfamilien. Sogar die Hauptkirche San Vicente mutet ziemlich bescheiden an, was nicht gerade typisch ist in Mexiko. Europäer meiden diesen Ort, denn nicht selten weht hier der berüchtigte „Norte“, ein heißer Wind aus dem nördlichen Hochland, der die ganze Region in einen Vorhof der Hölle umwandelt.
Dies schreckte aber die Soziologin und Ethnologin Veronika Bennholdt-Thomsen, die Fotografin Cornelia Suhan und die Journalistin Mechthild Müser nicht ab, gleich ein ganzes Jahr in Juchitán zu leben, um ein ganz besonderes „Matriarchat“ im Land des „Machismo“ zu erkunden. Grundlage dessen sind alte gesellschaftliche Strukturen des indianischen Volkes der Zapoteken. Das Haus wird dort zum Beispiel an jene Tochter vererbt, die der Alten bis zum letzten Tag beisteht.
Viele Juchitecas, in etwa ein Drittel aller Frauen, haben studiert und arbeiten in höher qualifizierten Berufen, das liegt deutlich über dem mexikanischen Durchschnitt. Es gibt in Juchitán keine einzige Frau, die finanziell von ihrem Mann abhängt. Es sind die Frauen, die sich das Geld in den Rockbund klemmen oder Goldmünzen verstecken. Die Banken sehen davon nichts. Sie tragen sogar bewusst und stolz ihren Reichtum in Form von prächtigem Goldschmuck zur Schau. Sie sind frei, sie sind schön, sie sind finanziell und vor allem sexuell unabhängig, die Frauen in Juchitán, und das nun schon seit Jahrhunderten so.
Werfen wir nun einen Blick auf die Rolle der Männer in dieser sonderbaren Stadt. Da herrscht zunächst eine klare Arbeitsteilung. Frauen treiben Handel, Männer bewirtschaften den kargen Boden. Außerdem sind sie als Fischer in der nahen Lagune unterwegs, sie jagen Leguane und beliefern den Markt der Frauen. Aufgrund der zunehmenden Arbeitslosigkeit sind immer mehr Landarbeiter finanziell von ihren Frauen abhängig. Dennoch war und ist Politik Männersache. Doch wehe, die getroffenen Entscheidungen missfallen den Frauen.
Ansehen genießt in Juchitán nicht, wer viel hat, sondern derjenige, der viel gibt. In dieser Stadt ist es nicht möglich zu verhungern, denn an jedem Tag wird dort mindestens ein Fest gefeiert. Dieses Gesellschaftsmodell der „FrauenWirtschaft“ ist faszinierend, macht neugierig und sollte hoffentlich bald andere Gesellschaften zur Nachahmung animieren. Die Fotos im Buch haben ganz authentische Momente festgehalten und zeigen überaus sinnesfrohe Frauen voller Lebensgewalt, die so erotisch wie würdevoll herüberkommen.
Veronika Bennholdt-Thomsen wurde am 12.09.1944 im Tiroler Seefeld geboren und hat unter anderem in Österreich Soziologie und Ethnologie studiert. Seit 1966 hat sie einen Wohnsitz in Mexiko. 1973 promovierte sie an der Universität Köln an der philosophischen Fakultät. 1982 habilitierte sie an der Universität in Bielefeld in Soziologie und begründete dort den Fachbereich „Frauen und Dritte Welt“. In den Jahren 2005 und 2006 war sie als Beraterin hinsichtlich eines neuen Magisterstudienganges in Oaxaca/Mexiko am „Zentrum für Forschung und höhere Studien in Sozialanthropologie“ tätig. Heute leitet sie in Bielefeld das „Institut für Theorie und Praxis der Subsistenz e. V.“ (ITPS).
Lucy und Annie kommen aus London und verlieben sich unsterblich in Ligurien. Sie kaufen sich dort ein altes Bauernhaus, der heiße Sommer ist extrem trocken, dennoch bleiben sie ganze 18 Jahre. Das Buch erzählt mit viel Humor über das Aussteigen als Lebensform, wie jeder seine Erfüllung finden kann in einer anderen Welt mit ganz anderen Gesetzen.
Gibt es etwas Schlimmeres als so ein unendlich langer, kühler, schmutzig-nebliger Winter in London? Wohl kaum, deshalb entscheidet sich Annie Hawes spontan dazu, ihre Schwester zu einem Ferienjob zu begleiten, und zwar an die italienische Riviera. Es folgten zehn lange Wochen auf Rosenfeldern, immer blauer Himmel und dann wildes Nachtleben mit gleichmäßig schön gebräunten Körpern, nun ja, vielleicht nicht immer ganz so. Auf jeden Fall bildete das Mittelmeer in Kombination mit den nahen Seealpen ein wirklich eindruckendes Panorama und schon im Februar wärmte die Sonne nicht nur die Luft.
Bereits nach wenigen Tagen sehen die Dorfbewohner in den jungen Frauen nur noch „le ragazze di Patrucco“, jenes Blumenhändlers, der ganz Nordeuropa belieferte und es auf diese Weise, als einziger übrigens, in diesem Dorf zu Wohlstand gebracht hatte. Annie und Lucy erfahren Kost und Logis in der Bar von Luigi, also ganz im Mittelpunkt des Ortes. Dort befinden sie sich zugleich im Zentrum des Dorflebens, das sie aber so schnell nicht begreifen. Ja, sie können schon ganz gut Italienisch, doch der ligurische Dialekt der Männer in der Bar ist ganz etwas anderes.
Die Einheimischen scheinen ständig von der Angst beseelt zu sein, dass die „stranieri“ den Härten ligurischen Lebens gewiss nicht gewachsen sind. Baden im Mittelmeer im Februar löste geradezu Panik bei den braven Menschen aus. Auch für ihre Spaziergänge durch verwaiste Olivenhaine ernten die jungen Frauen im Dorf nur Kopfschütteln.
Eines Tages entdecken sie auf einer terrassierten Anhöhe ein altersschwaches Bauernhaus, davor stehen ein Kirschbaum und zwei Zitronenbäume, außerdem gibt es dort noch ungefähr 50 Olivenbäume und paar Weinreben. Ein abgelegener, einzigartiger Ort wilder Schönheit. Franco ist das „Enfant terrible“ des Ortes, der auch schon mal zu Pferd in die Bar kommt. Er bietet den Frauen das alte Haus zum Kauf an, es kostet nicht mehr als ein altes Auto.
Es folgt noch eine romantische Geschäftsverhandlung bei Mondschein. Das späte Abendessen vor dem offenen Feuer duftet verführerisch und der gute ligurische Wein gibt ihnen den Rest. Von nun an sind die beiden englischen Frauen Landbesitzerinnen in Italien. Doch wie können Frauen ohne Männer, die noch dazu unter seltsamen Gewohnheiten leiden, in San Pietro überleben, fragen sich die Dorfbewohner.
In der Tat widersetzen sich die sanitären Gegebenheiten da oben jeglichen Modernisierungsversuchen energisch. Doch die freundlichen Dorfbewohner sind fest entschlossen, ihren neuen Gemeindemitgliedern das Leben zu retten. Der Dorftrödler bastelt ihnen eine erstaunlich luxuriöse Außendusche gleich neben der Quelle. Die unerträgliche Augusthitze bringt die Quelle allerdings zum Versiegen und die Stimmung auf einen Tiefpunkt. Aber die Art und Weise, wie der einsetzende Regen dann die Halbwüste in eine blühende Landschaft verwandelt, bringt die totale Versöhnung.
Dieses Buch besticht mit seiner besonderen Mischung aus ligurischem Eigensinn, dem mutigen Schritt vom Traum in eine neue Realität und englischem Humor.
Annie Hawes arbeitete als freie Redakteurin bei Channel 4 und bei der BBC, machte Rundfunk- und Fernseh-Features und drehte sogar selbst Filme.
Emma McCune kam durch einen tragischen Unfall in Nairobi ums Leben. Sie war zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt und erwartete gerade ihr erstes Kind. Dieser völlig sinnlose, plötzliche Tod zerstörte jäh das Glück einer außergewöhnlichen Frau.
Ihre Mutter Maggie McCune versucht das Unglück mit Schreiben zu verarbeiten. In ihrem tiefsten Kummer staunt sie in der übervollen Kirche in Nairobi über die riesige Trauergemeinde, deren Mitglieder sich aus verschiedensten Lebensbereichen und Kulturen zusammensetzen, sogar aus verfeindeten politischen Gruppierungen, aber alle gemeinsam wollen ihrer Tochter die letzte Ehre erweisen. Wie war es dazu gekommen, dass sie von so vielen Menschen geliebt und bewundert wurde?
Emmas ganzes Leben war ein Lehrstück, das ihre Mutter für andere einfach aufschreiben musste. Gegen Ende der 1980er-Jahre hatte Emma im Südsudan ein Hilfswerk für Kinder aufgebaut, die wegen des Bürgerkrieges fast acht Jahre lang keinen Schulunterricht mehr gehabt hatten. Emma war glücklich dabei, den ausgeprägten Bildungshunger dieser Kinder stillen zu können, und wurde mit deren herzlichem Lachen belohnt. Dafür nahm sie in Kauf, in extrem einfachen Verhältnisse unter ständiger Todesgefahr leben zu müssen. Vollendet wurde ihr Lebensglück 1991 als Zweitfrau von Riek Machar, der ein charismatischer Kriegsherr der sudanesischen Volksbefreiungsarmee war.
Maggie McCune wurde im Jahre 1942 im indischen Quetta geboren, wo sie auch ihren späteren Ehemann Bunny kennenlernte, mit dem sie vier Kinder hatte. Doch wegen heimlicher Geldprobleme ihres Mannes zerbrach die Liebe zu ihm, sie trennten sich und er nahm sich das Leben. Daraufhin ging sie mit den Kindern nach England. Ganz allein begann sie dort mit großer Beharrlichkeit, ihre neue Freiheit aufzubauen, sowohl beruflich als auch finanziell und privat. Heute lebt Maggie McCune in Godalming, Surrey.
Sie sagt selbst, dass sie mit ihrem Buch versuchte, Antworten zu finden, warum Emma das alles so gemacht hatte. Tatsächlich habe ihr dies Erkenntnisse eingetragen, nicht nur über Emma, sondern vor allem über sich selbst. Sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die großen Unterschiede zu ihrer Tochter wurden ihr dabei immer klarer. Auch das besondere Band zwischen jeder Mutter und Tochter wurde für sie dabei erkennbar.
Süddeutsche Zeitung – „Maggie McCune ist mit den Aufzeichnungen über ihre Tochter Emma ein großes, ein poetisches, ein menschlich bewegendes Buch gelungen.“
Es spielt in einem kleinen Ort in Australien. Dort leben die Geschwister Ashmol und Kellyanne. Das Einzige, was bei den Kindern ein wenig außergewöhnlich ist, ist die etwas merkwürdige Tatsache, dass Kellyannes beste Freunde Pobby und Dingan nicht sichtbar sind.
Ihre Familie und die Dorfbewohner machen sich nicht viel daraus, aber ihr Bruder Ashmol glaubt einfach nicht an die Beiden. Doch eines Tages wird Kellyanne schwer krank und ihre seltsamen Spielkameraden sind verschwunden.
Langsam versteht Ashmol, dass Fantasien und Träume ebenso real sind wie die vermeintliche Wirklichkeit.
Ben Rice wurde 1972 im englischen Devon geboren. Seine Lebensgefährtin ist Australierin. „Pobby und Dingan“ ist der erste Roman von Ben Rice, der zuletzt in London lebte.
Mit diesem lesenswerten Buch eroberte Lars Saabye Christensen zunächst sein Heimatland Norwegen, gefolgt von ganz Skandinavien, um schließlich den gesamten europäischen Kontinent damit zu beglücken. In der Tat gab es renommierte Literatur-Auszeichnungen dafür: der „Nordische Literaturpreis“, der „Preis der Norwegischen Buchhändler“ sowie der „Preis des Norwegischen Verlegerverbandes“.
Zuerst konnten sich außerhalb Skandinaviens die Niederländer und die Briten für die ungewöhnliche Familiensaga begeistern, aber dann meldete sich endlich der btb Verlag mit seiner deutschen Übersetzung zu Wort, ebenfalls überaus erfolgreich.
Die Hauptfigur des Romans ist Barnum. Er wächst in einer Welt auf, die vor allem von Frauen, aber auch von Familiengeheimnissen dominiert ist. Da ist zum Beispiel die Urgroßmutter, ein ehemaliger dänischer Stummfilmstar. Sie hörte nie auf, um ihren Verlobten zu trauern, der von einer Exkursion aus dem ewigen grönländischen Eis nicht zurückkam.
Boletta ist der Name seiner Oma. Sie macht ein Geheimnis aus dem wahren Vater ihrer unehelichen Tochter, hält aber als Telefonistin die ganze Familie über Wasser. Barnums Mutter heißt Vera. Sie wurde noch während der letzten Kriegstage oben auf dem Trockenboden vergewaltigt. Als Ergebnis daraus wurde Barnums Halbbruder Fred geboren.
Mit seinem Verschwinden stellt er das ganze Leben seiner Familienmitglieder auf neue Gleise.
Der Roman ist genial erzählt und voller Überraschungen sowie geradezu magischer Momente, er setzt gleichsam neue literarische Maßstäbe.
Jyllandsposten – „Der Halbbruder ist ein literarisches Meisterwerk. Es rührt den Leser an Herz und Hirn.“
Dagens Noeringsliv – „Mit dem Halbbruder hat Lars Saabye Christensen neue Standards für die norwegische Literatur gesetzt. Wir alle werden uns später einmal fragen: Wo warst Du, als Du den Halbbruder gelesen hast?“
Aftenposten – „Dieser Roman ist ein wahres Wunderwerk. Viel, viel mehr als eine Familiensaga. Die Frauenporträts darin sind unglaublich, als Bildungsroman und Kindheitsgeschichte ist dieses Buch ein einzigartiges Juwel, und es besitzt eine psychologische Vielschichtigkeit, die ihresgleichen sucht.“
The Guardian – „Der Halbbruder (…) ist ein weiteres interessantes Beispiel des zeitgenössischen skandinavischen Erzählens: Es ist eine tief empfundene, komplex gestaltete (…) Arbeit von unbedingter internationaler Bedeutung.“
Göteborgs Posten – „Der Halbbruder ist eine große literarische Errungenschaft.“